Wie die neugeborenen Kinder!

Liebe Gemeinde, liebe Leserinnen und Leser!

Ertappen Sie sich auch dabei? Ich gebe zu, ich erlaube mir in diesen Corona-Tagen ab und zu die Freiheit des Träumens. Ich stelle mir vor, wie es sein wird nach der Krise, mit uns und dem Leben überhaupt. Wie wird unser Leben danach aussehen? Werden wir etwas gelernt haben – nicht nur für den Augenblick, sondern nachhaltig, dauerhaft? Werden unsere guten Vorsätze nach Entschleunigung, nach Maßhalten, nach Ruhe, nach Achtsamkeit Bestand haben? Wird die Geißel des Coronavirus auch positive Spuren in unserem Leben hinterlassen, auf die wir zu Recht stolz sein dürfen?
Bei meiner tagträumenden Suche nach möglichen Antworten auf diese Fragen, lasse ich mich gerne inspirieren von biblischen Verheißungen. Manchmal erlebe ich das sogar wie eine Verlockung, die mich aus trübsinnigen Gedankenkreisläufen herausreißt. 

„Quasimodogeniti“ – so lautet der kompliziert klingende Name des vergangenen Sonntags. Ins Deutsche übersetzt heißt das schlicht: „wie die neugeborenen Kinder“. Diese Bezeichnung für die Christen entstammt einem Vers aus dem Petrusbrief:
„Wie neugeborene Kinder nach Milch schreien, sollt ihr nach der unverfälschten Nahrung von Gottes Wort verlangen.“ (1. Petrus 2,2)

In diesem schönen Bild ist für mich zweierlei ausgesagt.
Zunächst, sollen und dürfen wir Christen Menschen sein, die wie „neugeboren“ leben. Das heißt, das Leben darf noch einmal von neuem anfangen. Nichts ist ewig in Stein gemeißelt. Es gibt immer die Chance des Neuanfangs. Neues darf zur Welt kommen.
Im Hintergrund steht die überwältigende Erfahrung junger Eltern, dass die Geburt eines Kindes alles total verändert. Die Welt und das Leben sehen komplett anders aus. Schlagartig ergeben sich für die Eltern neue Notwendigkeiten, neue Verantwortlichkeiten, neue Wichtigkeiten. 
Was für eine befreiende Botschaft, die uns da für die Nach-Corona-Zeit verheißen wird.

Zum anderen spricht sich hier eine tiefe Sehnsucht aus. Die Sehnsucht danach, dass wir nicht „vom Brot allein leben“. Wie Neugeborene nach Milch, so sollen wir Christenmenschen nach dem Heil in Christus verlangen. 
Machen wir nicht jetzt schon mitten in der Krise diese elementare Erfahrung? Zum Lebensnotwendigen gehört die frohe Botschaft Gottes für uns. Das wäre doch zu hoffen, dass ein neuer Hunger nach Gottes Wort in unseren Kirchen und darüber hinaus spürbar wird. 
Halt, gebietet mir meine innere Stimme inmitten meiner Tagträume. Träume sind doch Schäume, so lehrt uns die Volksweisheit. 

Was für ein Glück, dass ich nicht auf meine eigenen Träumereien angewiesen bin, sondern auf die Verheißungen Gottes für unsere Welt. Gott ist treu und steht zu seinem Wort.
Ich finde, das ist kein schlechter Vorsatz schon für den heutigen Tag: Verlangen zu haben nach einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes kommt. Fangen wir doch gleich damit an!

„Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“
(Epheser 5, 8f)

Ihr Pfarrer Carsten Schleef