Predigt über 1. Petrus 1, 3 von Pfarrer Carsten Schleef zu OSTERSONNTAG

Liebe Gemeinde!

Während ich diese Zeilen schreibe, gehen meine Gedanken zurück an die vielen schönen Ostergottesdienste, die wir in unserer Dorfkirche gefeiert haben.
Früh am Morgen, noch ein wenig träge von der Nacht, kommen wir zusammen zur Feier der Osternacht in der noch dunklen Kirche. Wir singen die Lieder von Taizé, hören auf die vertrauten Texte der Bibel, die uns den großen Bogen der Heilsgeschichte Gottes aufspannen.
Dann der Gang nach draußen in die Stille und Frische eines anbrechenden Tages, hinein in die beginnende Morgenröte, nur unterbrochen vom Gezwitscher der Vögel. Das prasselnde Feuer, an dem die Osterkerze entzündet wird, oft getragen von einem Kind. Das Halleluja der Gemeinde unterstützt von der Musik des Posaunenchores. Das Läuten der Glocken, die uns zur Feier der Auferstehung wieder ins Kirchenschiff einladen.
Die Erinnerung an die eigene Taufe, manchmal verbunden mit der Taufe von Jugendlichen im Rahmen ihrer Konfirmandenzeit und ich werde neu gewiss: Ich bin aufgehoben in der todeserprobten Liebe Gottes. Er spricht sein Ja zu mir, bedingungslos, ohne Wenn und Aber, gegen alle inneren und äußeren Neins. Dafür steht sein Name Jesus Christus, mit dem ich seit meiner Taufe fest verbunden bin.
Menschen kommen nach vorne vor den Altar, zünden aus Dankbarkeit oder Sorge um einen Menschen eine Kerze an und stecken sie ins Osterkreuz. Derweil geht der Ostergruß durch die Reihen: „Christ ist erstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.“ Wir hören das Evangelium von der todesüberwindenden Schöpfermacht Gottes und dazu die Orgel, die das gesungene Halleluja der Gemeinde nach drei Tagen Schweigen feierlich in den Kirchraum trägt.
Und dann die glaubende Erfahrung an die Gegenwart des Auferstandenen im Geheimnis seines Mahles. Die Zusicherung der bleibenden Verbindung zwischen Jesus und seiner Gemeinde und zu jedem Einzelnen von uns: Christus in euch! Hoffnung auf die Herrlichkeit. Seine Stärke in der Schwachheit. Gottes Reichtum in der Armut. Christus in euch!
An diesem Morgen bleiben wir zusammen und freuen uns an unserer Gemeinschaft im gemeinsamen Frühstück an festlich geschmückten Tafeln im Gemeindehaus. Bunte Ostereier werden weitergereicht, der Duft heißen Kaffees, der frische Osterzopf, – das alles tut uns so gut. Eine Heiterkeit, eine Beschwingtheit und ein Lachen als Vorschuss für dunklere Tage.

All das, liebe Gemeinde, wird in diesem Jahr so nicht sein. Das macht mich ein wenig traurig, aber auch um so vieles dankbarer über das Geschenk, miteinander in großer Freiheit und Selbstverständlichkeit Gottesdienst feiern zu können. Der Ausspruch des Psalmbeters deckt sich mit meiner Erfahrung: „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth!“ (Psalm 84, 2)
Zum Glück weiß der Psalmbeter aber noch von einer anderen Sehnsucht: „Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.“ (Psalm 84, 3)
Warum sollten unsere Wohnungen nicht in diesem Jahr zu solchen Vorhöfen des Herrn werden? Ostern zu Hause zu feiern, lebt von dieser Verheißung, dass Gott unsere Wohnungen zu seinen Vorhöfen macht. Und wir werden sie schmücken als Zeichen dafür, dass das Leben siegt. Ja, der Ostermorgen macht Mut zu leben.

Ein Wort aus dem Petrusbrief schenkt mir Mut, Zuversicht und Hoffnung in dieser drangvollen Zeit:
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ (1. Petrus 1, 3)

Wir hören: Christen sind Hoffnungsträger. Noch genauer: Christen sind Hoffnungskinder. Sie sind neu geboren, wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung.
Der Grund dafür ist Ostern. Jesus ist auferstanden. Jesus hat den Tod von innen her überwunden. So hat er eine ganz neue Realität geschaffen, eine ganz neue Lebensqualität ermöglicht. Ostern – das ist der Beginn der neuen Schöpfung. Die Auferstehung ist der Stein, der alles ins Rollen bringt. Und unaufhaltsam bricht sie sich Bahn, unaufhörlich breitet sie sich aus, die neue Lebenswirklichkeit.
Davon waren die Jünger von Jesus überzeugt. Denn sie waren Zeugen des Unglaublichen geworden. Der Jesus, dem sie nachgefolgt waren, der vor ihren Augen gefangengenommen, der ausgepeitscht und schließlich am Kreuz zu Tode gefoltert worden war, hatte sich ihnen wieder gezeigt. Als der Lebendige. Als der Überwinder des Todes. Das war Gottes Werk. Das konnte nur Gottes Werk sein.
Kein Wunder, dass Petrus in dieses Lob ausbricht. Das Osterlob ist die einzig angemessene Antwort auf das Geschehen von Ostern. Deshalb jubelt Petrus und deshalb jubelt seitdem die Gemeinschaft der Christen über das Wunder der Auferstehung.
Denn die Neuschöpfung, die in der Auferstehung geschah, macht bei Jesus nicht halt. Die Auferstehungskraft, die Ostern in die Todeswirklichkeit unserer Welt eingebrochen ist, sprengt alle Grenzen. Menschen, die Ostern erleben, erleben eine Neugeburt. Das Alte vergeht, neues Leben bricht sich Bahn.
Darum sind die Nachfolger von Jesus Hoffnungsträger. Die Hoffnung ist ihre Melodie. Und Hoffnung wird dann konkret in Taten der Hoffnung, im konkreten Einsatz für Menschen. Wir werden getrieben von der Kraft der Auferstehung und der Gewissheit, dass der Tod nicht das letzte Wort haben kann. Jesus, der das Leben ist, siegt. Über alles Dunkle, Verstörende und Zerstörerische auch unserer Tage heute.

„Jesus lebt – mit ihm auch ich – Tod, wo sind jetzt deine Schrecken?“ (Evangelisches Gesangbuch 115) Die Gewissheit der Auferstehungshoffnung befreit uns zu einem Leben voll Glauben und Liebe hier und heute. Wie diese Hoffnung im Hier und Jetzt aufleuchtet, das deutet der Kabarettist und Christ Hanns Dieter Hüsch in einem seiner Texte an:

„Möge uns der Herr … erfrischen,
uns auf Wege … führen,
die wir bisher nicht betreten haben
aus … Unsicherheit darüber,
dass der Herr uns … aufrichtigen Ganges fröhlich sehen will …
Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!
Und jeder soll es sehen und ganz erstaunt sein,
dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können,
und sagen: Donnerwetter.
Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen
und sagen: er habe Gottes Kinder gesehen.
Und sie seien ungebrochen freundlich und heiter gewesen,
weil die Zukunft Jesus heiße
und weil die Liebe alles überwindet
und Himmel und Erde eins wären
und Leben und Tod sich vermählen
und der Mensch ein neuer Mensch werde
durch Jesus Christus.“

Amen.

Ihr Pfarrer
Carsten Schleef