Alles ist gesagt

Gehören Sie auch zu den Menschen, die zurzeit jede freie Minute nutzen um spazieren zu gehen? Auf diesem Freizeitterrain hat Seelscheid ja eine Menge zu bieten. An sonnigen Wochenenden kann man erleben, wie Scharen von Corona gebeutelten Menschen aus dem städtischen Umfeld sich auf den Weg gemacht haben. Gleich, wie an einer Perlenkette aufgezogen marschieren sie, gut erkennbar an ihrer bunten Outdoor-Kleidung, forschen Schrittes auf den Spuren des beliebten Kräuterweges durch das Dorf.

Ob sie sich dabei auch verlocken lassen, einen Blick in unsere Kirche zu werfen? Gönnen würde ich es ihnen schon. Denn unsere Kirche hat so einiges zu bieten. Darum steht ihre Türe auch offen. Für jedefrau und jedermann, die Einkehr suchen in dieser geplagten Zeit. Die Erhabenheit des Raumes wahrnehmen, auf die wohltuende Stille zu lauschen, sich innerlich fokussieren auf die Mitte des Wandkreuzes, die schwarzweiße Bildsprache des Kreuzweges meditieren, eine Kerze im Gedenken an einen Menschen entzünden, die imaginäre Wirklichkeit der Gesänge von unzähligen Menschen zu erahnen, die aufgeschlagene Heilige Schrift auf dem Altar als Hinweis auf Gottes offenes Herz für seine geliebten Menschenkinder zu verstehen oder einfach nur da sein, absichtslos und ohne gleich wieder an ein Ziel zu denken, – das alles ist ein Quellgrund für müde Menschen, eine Labsal für geschundene Seelen und nervöse Herzen.

Stille ist die angemessene Antwort auf die Wirklichkeit des Augenblicks. Staunende Stille. Es fällt kein überflüssiges Wort. Alles ist gesagt. Man sagt: Dem Stillen säumen Engel den Weg. Sie bergen den Träumer mit sanfter Hand und leuchten dem Müden ein heiteres Dach.

Kann einer, der nie zur Ruhe kommt, wirklich „danke“ sagen? Unruhe wird ihn nötigen, jedem „ja“ ein „aber“ anzufügen.

Die Bibel erzählt von drei Tagen der Ruhe, von leuchtender Stille ohne Wenn und Aber. Der siebte Schöpfungstag – alles ist gut. Der Ostermorgen – der Tod ist besiegt. Der Tag, an dem ein neuer Himmel und eine neue Erde ein neues Buch des Lebens öffnen – Tod, Kränkung und Leid werden Fremdworte sein.

Gottes Licht durchleuchtet die Seele. Aus geschenkter Ruhe strömt mir Lebenskraft zu.

Danke Gott, indem du mir das Sorgen lässt, werde ich stille, alles Fragen ist aufgehoben in dir und ich ruhe ganz in mir – aus dieser Ruhe schöpfe ich Kraft für meinen Weg da draußen.

Ihr Pfarrer Carsten Schleef