Hals und Beinbruch

Es ist Bekenntnisstand der Evangelischen Kirche im Rheinland, dass die jüdische Religion mit uns Christen an den selben Gott glaubt, die gleiche Heilige Schrift hat (okay wir haben etwas mehr) und somit ein Teil der Offenbarung Gottes an die Menschen ist. Es gilt ein Missionsverbot gegenüber Juden, weil wir annehmen, dass die Juden ebenfalls Zugang zu der Offenbarung Gottes haben, auf jeden Fall nicht als „andere“ Religion zu bezeichnen sind, sondern als von Gott geschenkter Teil unserer Gemeinschaft.

So können wir also von unserem Glauben her gar nicht anders, als uns konsequent und entschlossen jeder Art des Antisemitismus entgegenzustellen, denn wer Juden verunglimpft oder verfolgt, der verunglimpft und verfolgt automatisch auch unseren christlichen Glauben. Aber dieser Kampf gegen Judenhass ergibt sich nicht nur aus unserem Glauben, sondern auch aus unserer deutschen Geschichte. Menschen jüdischen Glaubens sind seit Jahrtausenden Teil unseres Landes und unserer Geschichte. Dazu brauche ich aber noch nicht mal in ein Geschichtsbuch zu schauen, sondern es reicht, sich die deutsche Sprache anzuhören.

Jüdische Deutsche sprechen im Alltag deutsch, in der Synagoge ist Hebräisch die Heilige Sprache in der gelesen und gebetet wird. Außerhalb der Synagoge verwendet man das Hebräisch nur selten, zum Beispiel wenn man einen anderen Menschen segnet, oder etwas ausdrücken will, das es nur im Hebräischen gibt. Und so haben sich viele hebräische Worte in unserer Geschichte verselbstständigt und sind Teil unserer gemeinsamen Sprache geworden. Ja, vielen Menschen ist noch nicht einmal mehr klar, dass sie hebräische Worte verwenden. Beim „Thohuvabohu“ ist das vielen noch klar, dass es sich um die biblische Beschreibung des Zustandes der Erde vor der Schöpfung handelt: Luther übersetzte diese hebräische Floskel mit „und die Erde war WÜST UND LEER“. Thohu va Bohu eben. Auch das Wort „Meschugge“, das beschriebt, dass die ZuhörerInnen die Propheten Gottes für „verrückt“ hielten, ist selbstverständlicher Teil unserer Sprache geworden. Der schöne deutsche Name „Michael“, der als „deutscher Michel“ lange so etwas wie der Prototyp eines Deutschen galt, dieser Name ist eigentlich ein ganzer hebräischer Satz: „MI – CHA – EL“ bedeutet übersetzt: „Wer ist wie Gott?“. Der Prototyp der Deutschen, der deutsche Schutzpatron kann gar nicht von der jüdischen Bibel getrennt werden. Aber auch im Alltag finden sich hebräische Worte: Wenn jemand „Schmiere“ steht, dann passt er auf, dass niemand kommt. „SCHAMIR“ bedeutet auf hebräisch „Wächter“ und ist in Israel ein gängiger Name. In Bayern nennt man eine junge Frau „Ische“, auf hebräisch heißt Frau „ISCHA“. Wer wettet, beschließt die Wette und den Einsatz mit dem Wort „TOP, die Wette gilt“, TOP heißt auf hebräisch, „es ist gut“. Und Gott sah, dass es gut war, als er die Schöpfung anschaute, TOP eben. Und der „Gute Rutsch“ den wir uns an Neujahr wüschen, kommt von dem hebräischen Wort „ROSCH“ und heißt „Jahr“.

Und sogar hebräische Gebete verwenden wir bis heute im Deutschen. Vor Reisen segnet ein Jude den anderen. Und gesegnet wird natürlich auf hebräisch. Und der Segen geht so: „Möge dein Leben und was du dir vorgenommen hast gelingen“ (CHAIL: bedeutet auf hebräsch „gelingendes Leben“), dann folgt das Wort „und“ (auf hebräisch heißt „und“ „we“) und es geht weiter mit dem dem Wort „BARUCH“, was Gottes Geist meint.„CHAIL WE BARUCH“, lässt sich also ungefähr übersetzen mit „Möge alles gelingen und Gottes Geist mit dir sein“. „Hals und Beinbruch“, sagen wir bis heute wenn unserer Gegenüber eine schwierige Situation zu überstehen hat.

Die Christliche Religion ist nicht von der Jüdischen zu trennen. Jesus war Jude. Abraham und Sara sind die ersten Juden und die ersten Christen gleichzeitig. Wer Juden angreift, der greift auch uns an, egal ob in Halle oder anderswo. Und als Deutsche sehen wir schon in unserer Sprache, wie eng wir miteinander verwoben sind. Unser Gott will Gemeinschaft, nicht Trennung. Gemeinschaft aller Menschen aller Hautfarben, aller Vorstellungen von Gott. Dafür lasst uns eintreten. Und mit Gottes gutem Geist wird uns das gelingen. „Hals und Beinbruch“, uns allen.

Mit den besten Segenswünschen (in welcher Sprache auch immer)

Ihr/eurer Albi Roebke