„Wo warst Du, Mensch, als ich die Welt erschuf?“

Liebe Gemeinde!

Da sprayt jemand auf eine Wand:
„Nietzsche sagt: Gott ist tot.“
Ein anderer liest es ein paar Tage später und sprayt darunter:
„Gott sagt: Nietzsche ist tot.“

Ich mag diesen kurzen, aber feinsinnigen Witz. 
In Nietzsches Wort „Gott ist tot“ drückt sich ein heute sehr verbreitetes Lebensgefühl aus: Viele Menschen haben das Gefühl, Gott nicht zu brauchen. In ihrem Leben spielt die Frage nach Gott keine Rolle. Der Zeitgeist trichtert uns ein: Der Glaube ist etwas Überholtes, etwas Naives.

Jeder kann mit Fug und Recht behaupten, dass es ja keinen Beweis für die Existenz Gottes gibt. Ob es Gott gibt oder nicht, kann kein Mensch wissen – ein Gedanke übrigens, der auch schon der Bibel nicht fremd war: „Niemand hat Gott jemals gesehen.“, heißt es im Neuen Testament (1. Johannes 4,12). 
Aber ist es nicht im Grunde eine Überheblichkeit unserer Zeit, wenn Menschen nicht einmal für die Frage nach Gott offen sind? Ist nicht die Tatsache, dass kein Mensch wissen kann, ob es Gott gibt oder nicht, erst recht ein Grund dafür, nach Gott zu fragen? Könnte nicht allein schon die Möglichkeit der Existenz Gottes, mein Leben in ein neues Fragen stellen? Und könnte es nicht sein, dass wir Menschen mit unserem Verstand einfach begrenzt sind?

Gott sagt: Nietzsche ist tot.“ Mit Charme und Intelligenz dreht der Witz die Perspektive einfach einmal um: Was denkt eigentlich Gott über uns? Wie sehen seine Gedanken aus? 

Dieser schöne Witz hat seinen Grund eigentlich in der Bibel selbst, im Buch Hiob. Hiob ist tief gefallen und begehrt nun gegen Gott auf. Da entgegnet ihm Gott mit einer Frage, die es in sich hat:
Wo warst Du, Mensch, als ich die Welt erschuf?“ (Hiob 38,4)

Lassen wir diesen Perspektivwechsel einmal für uns gelten: Stellt sich dann nicht innerlich eine tiefe Demut bei uns ein? 

Herzlich grüße ich Sie,
Ihr Pfarrer Gregor Wiebe