Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Markus 9,24

Die Jahreslosung der Herrenhuter Brüdergemeinde.
Seit fast hundert Jahren lost diese evangelische Gemeinschaft für jedes Jahr und auch für jeden Tag geistliche Texte aus. Und treffender hätte die Losung für dieses besondere Jahr nicht sein können: Alles Gewohnte steht still, nichts ist mehr verlässlich. Die Welt steht Kopf und wir verstehen die Zusammenhänge nicht. Bei vielen Menschen kommt Stress auf. Was ist jetzt noch richtig, worauf ist Verlass in diesen ungewissen Zeiten?
Müssten wir Christinnen und Christen nicht voll des festen Glaubens und voller Geistheit gegen diese Fragen angehen? Sind Zweifel, Angst und nicht Verstehen nicht das Gegenteil von echtem Glauben?
Der biblische Befund ist eindeutig: NEIN, Zweifel ist nicht das Gegenteil von Glauben. Wenn man nämlich genauer in die Bibel guckt, finden sich bei vielen berühmten Vertretern und Vertreterinnen des Glaubens oft auch starke Zweifel: Moses traut sich wegen seines Sprachfehlers Gottes Auftrag nicht zu. Sara, Abrahams Frau, lacht auf, als ihr von einem Engel verkündet wird, dass sie im hohen Alter noch schwanger wird (auf hebräisch bedeutet der Name „Sara“ das Lachen). Viele Propheten wie Samuel, Jona, Jeremia zweifeln bis zur Verzweiflung. Und genauso geht es im Neuen Testament weiter. Wo viel Glauben ist, ist oft auch viel Zweifel: Petrus, der „Fels“, bekommt es sehr oft mit der Angst zu tun. Der ungläubige Thomas zweifelt an der Auferstehung und muss erst die Wunden Jesu berühren, um zu glauben. Paulus hält sich nicht für würdig. Und auch Jesus kennt die Zweifel: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Dieser verzweifelte Schrei sind seine letzten Worte auf dieser Erde.
Vielleicht müssen wir umdenken: Glaube und Zweifel sind keine Gegensätze. Jedenfalls nicht in der Bibel. Wer glaubt, der zweifelt auch. Und nur wer nicht glaubt, der zweifelt nie.
Welch befreiende Botschaft. Ich muss weder einen Virus, noch die Weltwirtschaft, muss weder Gott noch mich selbst verstehen um gläubig zu sein. Ja, ich darf zweifeln, ja sogar verzweifeln und bleibe auch damit im Glauben und also in der Liebe Gottes.
Und gegen alle Angst, gegen alle Zweifel, gegen alles nicht Verstehen, die wir Menschen nun mal haben und ohne die wir Un-Menschen wären, versuche ich zu glauben, wie der Mann aus dem Markus-Evangelium dessen Sohn schwer krank ist. Glauben beseitigt die Zweifel nicht. Aber er gibt uns Kraft, sie auszuhalten, gerade in solch unsicheren Zeiten. Ein jüdischer Philosoph hat es folgendermaßen formuliert: „Die eigentlich interessante Frage ist nicht, ob wir an Gott glauben. Die interessante Frage ist: Glaubt Gott an uns?“.
Und als Christ bin ich da sicher: Ja, das tut er. Und so kann ich meine Zweifel, meine Angst, meine Unsicherheit annehmen. Und weitersuchen. Und probieren. Und zweifeln. Und irren. Weil ich weiß, Gott glaubt an mich, egal was passsieren wird.

Mit den besten Segenswünschen
Ihr und euer Albi Roebke