Zum neuen Jahr

Liebe Gemeinde,
zum neuen Jahr möchte ich Ihnen heute ein Lied von Paul Gerhardt (1607-1676) thematisieren. Es ist eines meiner Lieblingslieder aus dem Evangelischen Gesangbuch: „Nun laßt uns gehn und treten“ (EG 58).

In den ersten Strophen ruft uns der Dichter auf, zum Jahreswechsel sich Gott, der uns bisher behütet hat, zuzuwenden:

Nun laßt uns gehn und treten / mit Singen und mit Beten
zum Herrn, der unserm Leben / bis hierher Kraft gegeben.“ (Str. 1)

Die Welt war für Gerhardt von den furchtbaren Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) geprägt. Auch wir haben ein Jahr hinter uns mit „großen Schrecken“, die tatsächlich „alle Welt bedecken“, eine Pandemie auf der ganzen Welt. Doch trotz vieler Bedrängnisse geht das Leben weiter:

Wir gehen dahin und wandern / von einem Jahr zum andern,
wir leben und gedeihen / vom alten bis zum neuen
durch so viel Angst und Plagen, / durch Zittern und durch Zagen,
durch Krieg und große Schrecken, / die alle Welt bedecken.“ (Str. 2 und 3)

Aber der sechsten Strophe ist das Lied dann wie ein Gebet. Die Verse richten sich direkt an Gott. Die einzelnen Bitten erinnern an den typischen Aufbau eines Gottesdienstes. Am Anfang steht eine Art Sündenbekenntnis:

Ach Hüter unsres Lebens, / fürwahr, es ist vergebens
mit unserm Tun und Machen, / wo nicht dein Augen wachen.“ (Str. 6)

Dann folgt das Lob Gottes, der „alles Herzleid“ wendet:

Gelobt sei deine Treue, / die alle Morgen neue;
Lob sei den starken Händen, / die alles Herzleid wenden.“ (Str. 7)

Die übrigen Strophen sind wie Fürbitten zum neuen Jahr und unglaublich fein und anrührend formuliert. Es hat etwas sehr Beeindruckendes, wie diese fast 400 Jahre alten Fürbitten auch heute noch genau so gebetet werden können.
Zunächst wird für alle Menschen um Gottes Beistand und Segen gebeten:

Laß ferner dich erbitten, / o Vater, und bleib mitten
in unserm Kreuz und Leiden / ein Brunnen unserer Freuden.“ (Str. 8)
Gib mir und allen denen, / die sich von Herzen sehnen
nach dir und deiner Hulde, / ein Herz, das sich gedulde.“(Str. 9)

Sprich deinen milden Segen / zu allen unsern Wegen,
laß Großen und auch Kleinen / die Gnadensonne scheinen.“ (Str. 11)

Dann folgen die liebevollen Bitte für diejenigen, denen es besonders schlecht geht:

Sei der Verlassnen Vater, / der Irrenden Berater,
der Unversorgten Gabe, / der Armen Gut und Habe.“ (Str. 12)
Hilf gnädig allen Kranken, / gib fröhliche Gedanken
den hochbetrübten Seelen, / die sich mit Schwermut quälen.“ (Str. 13)

Am Ende steht die Bitte um Gottes Geist – das, so der Dichter, ist die wichtigste Bitte („das meiste“):

Und endlich, was das meiste, / füll uns mit deinem Geiste,
der uns hier herrlich ziere / und dort zum Himmel führe.“ (Str. 14)
Das alles wollst du geben, / o meines Lebens Leben,
mit und der Christen Schare / zum sel’gen neuen Jahre.“ (Str. 15)

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes und gutes neues Jahr 2021!

Ihr Gregor Wiebe