„Musica ist das beste Labsal eines betrübten Menschen“

Liebe Gemeinde!

Bevor ich mich an mein geistliches Wort setze, schaue ich immer gerne einmal nach, ob es für dieses Datum zufällig einen bestimmten Gedenktag oder ein Jubiläum gibt. Dieses Mal bin ich auf einen 300. Todestag (bzw. genauer: Begräbnistag) gestoßen, an den ich gerne erinnern möchte:

Maria Barbara Bach war die erste Frau von Johann Sebastian Bach. 13 Jahre lange waren die beiden verheiratet. Im April 1720 machte sich Johann Sebastian auf eine Reise von Köthen nach Böhmen, wo er sich drei Monate lang aufhielt. Er hatte seine geliebte Frau Maria Barbara „bey der Abreise gesund und frisch verlassen“, wie es in einem Bericht heißt. Doch als er Mitte Juli dann von der Reise heimkehrte, war die Lebenswelt eine ganz andere:

Maria Barbara verstarb, ohne dass ihrem Mann davon Nachricht gegeben wurde. Die genauen Todesumstände sind unklar. Sicher ist nur, dass ihr Begräbnis am 7. Juli 1720 stattgefunden hat. Als Johann Sebastian von seiner Reise heimkehrte, erreichte ihn diese schwere Nachricht: nicht nur dass seine Frau verstorben, sondern auch dass sie bereits bestattet worden sei („todt und begraben“, wie es in dem Bericht zu dieser Begebenheit heißt).

Johann Sebastian Bach konnte sich also noch nicht einmal bei einer Trauerfeier von seiner Frau verabschieden. In einer solch traurigen Situation kommt man sich vermutlich sehr hilflos vor. Das aber, was dem hilflosen, trauernden Johann Sebastian in dieser Situation geholfen hat, war die Musik: So komponierte er einen Zyklus. Die einzelnen Elemente des Zyklus repräsentieren die drei hohen kirchlichen Feste: Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Ein Element des Zyklus schien stets eine Geheimnis zu sein: die „Ciaconna“ (Chaconne). Man hat zahlreiche Bezüge zu Maria Barbara in dieser Komposition entdeckt, die Bach hier versteckt hat. Die „Ciaconna“ ist also die Trauermusik für seine geliebte Frau Maria Barbara, mit deren Tod er so unerwartet konfrontiert wurde und von der er sich nicht einmal verabschieden konnte. Innerhalb des Kirchenfest-Zyklus steht „Ciaconna“ für die Passionszeit, die Bach hier ganz persönlich ausfüllt.

Wer Lust hat, sich die „Ciaconna“ vor dem Hintergrund dieser biographischen Szene heute vor 300 Jahren einmal anzuhören, kann dies hier tun:

Ich finde, dass sich die Trauer und die Umstände ihres Todes und vielleicht auch die nachgeholte Totenklage deutlich spürbar anklingen. Gleichzeitig spürt man aber auch etwas von der unglaublichen Wirkung von Musik: von ihrer Fähigkeit, unsere Herzen anzurühren und uns zu trösten.

Zurecht hat Martin Luther die Musik eine der schönsten und herrlichsten Gaben Gottes genannt. Und: „Musica ist das beste Labsal eines betrübten Menschen, dadurch das Herze wieder zufrieden, erquickt und erfrischt wird.“

Herzlich grüße ich Sie,

Ihr Gregor Wiebe