Die Kirche und die Frauen

2000 Jahre wurde die Kirche hauptsächlich von Männern dominiert. Das ist bei uns Christen und Christinnen so erstaunlich, weil die Rolle der Frau in der heiligen Schrift glasklar die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung beschreibt und einfordert. Und so hat es die Männer der Geschichte unendlich viel Kraft gekostet, die klare Botschaft der Bibel in eine patriarchale Botschaft zu verfälschen. Jesus wird von zahlreichen Jüngerinnen begleitet, und die Maria von Magdala hat ganz klar eine fundamental wichtige Position, einmal neben Jesus aber eben auch in der Urgemeinde bekleidet sie unstrittig eine Führungsfunktion. Die Männer der frühen Kirche diffamierten Maria von Magdala, in dem sie sie mit der Sünderin in Lukas 7,34 – 36 gleichsetzten, und aus der Sünderin auch gleich eine Prostituierte machten (beides steht NICHT in der Bibel!!!) Diese Diffamierung ist aber bis heute leider weit verbreitet. Von Paulus kennen wir den Satz „Das Weib schweige in der Gemeinde“. Der Satz steht tatsächlich in der Bibel, dem geht aber historisch voraus, dass Paulus hier die „Fraktionsführerinnen“ zweier Gruppen der Gemeinde in Korinth ermahnt, die Gemeinde über ihren theologischen Streit nicht zu spalten. Was als Redeverbot für Frauen interpretiert wurde ist in Wirklichkeit der historische Beleg, dass Frauen in der Urkirche über erhebliche Machtpositionen verfügten. Und „Generalsekretär“ – einer von Paulus theologisch bevollmächtigten Abgesandten, der seine Besuche theologisch vorbereiten sollte (z.B. Schluss des Römerbriefs) – war laut Tradition ein Herr Phöbus. Erst im 19. Jahrhundert hatten die Forscher die Idee, mal in antike Namenslisten zu schauen, und siehe da: Phöbus ist in Wirklichkeit ein Frauenname („Phöbe“) … soviel zum Thema „das Weib schweige in der Gemeinde“.

Wer gehofft hatte, die Rückbesinnung auf die Schrift in der Reformation hätte zu einem gleichberechtigten Miteinander von Männern und Frauen geführt, der irrt leider. Als prominentes Bild ist hier das „Bild“ von Luthers Frau, der Käthe von Bora zu nennen. In der evangelischen Tradition erscheint ihr Bild als liebevoll versorgende Ehefrau und Mutter, die ihrem Mann den Rücken freihält und ansonsten die Kinder zum Bravsein erzieht und sich aus intellektuellen Debatten raus hält. Lange war dies sozusagen das Leitbild für protestantische Frauen.

Aber in Wirklichkeit lebte Käthe ein sehr anderes Leben. Als Nonne lernte sie nicht nur lesen und schreiben und beschäftigte sich augenscheinlich mit theologischer Literatur (sie floh aus dem Kloster, nachdem sie eine theologische Streitschrift von Luther gelesen hatte), sondern lernte auch Betriebswirtschaft, nämlich das managen und verwalten von großen Gütern, die zum Kloster gehörten. Sie ist eher Ende zwanzig als sie nach der Flucht in Wittenberg ankommt. Devot und zurückhaltend scheint sie nicht gewesen zu sein. Die Reformatoren versuchten den entlaufenen Nonnen ehrbare Männer zur Heirat zu vermitteln. Die selbstbewusste Käthe lässt sich aber nicht vermitteln, sondern beginnt eine Liebesaffäre mit einem Nürnberger Studenten (obwohl für damalige Verhältnisse schon „zu alt“ für eine ehrbare Hochzeit). Nachdem der Student von seinen Eltern (wegen der vermeintlichen Schande) zurück nach Nürnberg beordert wird, lehnt Käthe verzweifelte Verkupplungsversuche der Reformatoren ab. Sie wird zum Ladenhüter der Heiratsvermittlung, weil zu alt, zu arm und wohl auch zu widerspenstig. Luther nimmt sie dann 1525 zur Frau und bekennt offenherzig, dass es ihm um das politische Signal geht und nicht um Liebe. Käthe wird wieder Managerin. Das verfallene Kloster des Martin Luthers, der verkommen in einer kaputten Stube lebt, bringt sie auf Vordermann, macht daraus ein florierendes Studentenwohnheim, eröffnet eine kleine Brauerei, wirtschaftet so gut, dass die Luthers Ländereien dazukaufen können. Gleichzeitig bekommt sie noch 5 Kinder. Während ihr Martin große Reden hält oder in Depressionen versinkt. Dass sie dabei keineswegs unterwürfig ist, erfährt man aus überlieferten Kommentaren von ihr. Zwei Kostproben: Als Luther wohl mal wieder für Tage in einer depressiven Episode versank, legte sie Witwenkleidung an. Eines Tages bemerkte dies Martin und fragte, wer den gestorben sei, darauf Käthe: „So wie du dich aufführst, muss der HERR persönlich gestorben sein“. Und als Luther auf die Frage antwortete, was er den tun würde, wenn er wüsste, dass morgen die Welt unterginge, er einen Apfelbaum pflanzen würde, ergänzte Käthe: „das SAGT der Dr. Luther, pflanzen würde ich den Baum“. Wir können aus Luthers Briefen lesen, dass er später seine Käthe sehr sehr liebte: „Mein Herr Käthe“ nannte er sie und schriebt ihr besorgte und liebende Briefe. Und seine Bezeichnung „Doktor Käthe“ für sie lässt erahnen, dass die gut ausgebildete, meinungsstarke Ex-Nonne sich wohl kaum aus theologischen Diskussionen herausgehalten hat. Käthes theologischer Einfluss auf die Reformation ist leider bis heute nicht erforscht.

All das ermahnt uns für heute: Wenn Frauen heute noch „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ einfordern müssen, gerade in unser Gesellschaft zu Sexualobjekten degradiert werden, gegen überkommene Frauenbilder wie das „Heimchen am Herd“ ankämpfen müssen, oder sich heute dem Mehrfachdruck des Bildes der sexy Liebenden die gleichzeitig noch beruflich erfolgreich ist und natürlich gleichzeitig die Kinder perfekt erziehenden Frau erwehren müssen, dann ist das auch unser Kampf als evangelische Kirche. Und das heißt, auch kritisch in unsere persönlichen und kirchlichen Traditionen zu gucken, wo wir sie ändern müssen. Nicht, weil wir modern oder liberal oder fortschrittlich sind. Sondern, weil das unserem biblischen und historischen Auftrag entspricht. Und nicht zuletzt sind wir das unseren Schwestern im Glauben Phöbe, Maira, und Käthe schuldig. Und allen Schwestern auf dieser Welt.
Mit den besten Segenswünschen
Ihr/Euer Albi Roebke

Bild: Katharina von Bora, gemalt von Lucas Cranach dem Älteren, 1526