Dem Rad in die Speichen fallen…

Im April jährte sich zum 75. mal der Todestag des großen Theologen Dietrich Bonhoeffers. Der bedeutende Theologe wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg nur Stunden vor der Befreiung von den Nazianalsozialisten gehängt. Er wurde keine 40 Jahre alt. Bonhoeffer erinnert uns Christen und Christinnen daran, dass es neben der selbstverständlichen Pflicht zur Hilfe für Menschen in Not unter gewissen Umständen auch die Pflicht zum Widerstand für Christen und Christinnen gibt. Und er forderte auch früh dazu auf. Schon 1933, nur Tage nach der Machtergreifung der Nazianalsozialisten sagte er im Radio: „Manchmal genügt es nicht, die Verletzten unter dem Rad zu verbinden, manchmal muss man dem Rad in die Speichen fallen.“ Er sah ganz klar, dass es bei der menschenverachtenden Ideologie der Nazis nicht ausreichte, die Verfolgten zu unterstützen, sondern dass hier eindeutig Widerstand angezeigt war.

Auch in unserer Zeit kommen wieder Menschen unter die Räder des Hasses und der Verachtung. Jüdische Menschen werden mitten in Deutschland in ihren Gotteshäusern – während sie beten – angegriffen. Auf Menschen, die vor Krieg und Not fliehen, wird an der europäischen Grenze scharf geschossen. Und selbst der Präsident der USA dreht berechnend am Rad des Rassismus.

Nun kann der gewöhnliche Christ und die gewöhnliche Christin nicht für Schutz von Synagogen oder Moscheen sorgen, das muss die Polizei machen. Aber wir können sehr wohl in den sozialen Medien oder im Gespräch den Verschwörungstheoretikern, die hinter Corona, den Anschlägen vom 11. September oder den Kondensstreifen am Himmel eine jüdische Verschwörung ausmachen wollen, unser klares NEIN entgegenhalten, denn mit solchen Theorien beginnt sich das Rad des Antisemitismus zu drehen.

Nur wenige von uns haben die Zeit und die Ressourcen ins Mittelmeer zu fahren und schiffbrüchige Menschen zu retten. Dafür gibt es Organisationen und auch die Evangelische Kirche unterstützt offiziell solche Unternehmungen. Aber wir können laut und deutlich NEIN sagen, wenn in der Kneipe oder unter Kollegen die Sprüche „vom vollen Boot“, vom der „Umvolkung“ oder von Schüssen an der Grenze kommen, denn hier nimmt gerade das Rad der Fremdenfeindlichkeit Fahrt auf.

Und – leider, können wir nicht nach Washington fahren und Trump die Bibel aus der Hand reißen, wenn er friedlich gegen Rassismus demonstrierende Menschen brutal zu Seite prügeln lässt um in reiner Showmanier den Rassismus in seinem Land weiter aufzustacheln. Die Führer fast aller christlichen Konfessionen haben hier laut und deutlich ihr Wort gegen Trump erhoben. Aber wir können sehr wohl im Stadion, im Sportverein, in der Nachtbarschaft und im Supermarkt unsere Stimme erheben, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe herabgesetzt werden.

Die Pflicht zum Widerstehen ist genau wie die Pflicht zur Hilfe nicht nettes ad on zu unserem Glauben, sondern entspringt unmittelbar dem Fundament des Christentums. Daran erinnert uns Dietrich Bonhoeffer.

Und ja, wenn wir das tut, dann höre ich schon die Skeptiker Sätze sagen wie „Die Kirche soll sich um die Seele kümmern und aus der Politik raushalten“ und ähnliches.
Auch für diese Skeptiker hat Dietrich Bonhoeffer uns einen schönen Satz aus seiner Zeit mitgegeben: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“

Lasst uns aufstehen und laut und deutlich NEIN sagen: zu jeder Form von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Verächtlichmachung von Menschen. Lasst uns neben der Hilfe dem Rad des Hasses kräftig in die Speiche fallen, jeder und jede an seinem oder ihrem Platz. Weil das unser Auftrag als Christen und Christinnen ist.

Mit den besten Segenswünschen

Ihr/euer Albi Roebke