Weicht, ihr Trauergeister,
denn mein Freudenmeister,
Jesus, tritt herein.
Denen, die Gott lieben,
muss auch ihr Betrüben
lauter Freude sein.
Duld ich schon hier Spott und Hohn,
dennoch bleibst du auch im Leide,
Jesu, meine Freude.
Johann Franck, EG 396
Es war kurz vor Weihnachten. Mal wieder Stress pur und dann auch noch der obligatorische Kurzhaarschnitt. Dafür musste noch Zeit sein. Aber nicht bei meinem Friseur, der war voll belegt. Zum Glück gibt es andere ganz in der Nähe. Während des Geklappers der Schere frage ich den Azubi: „Wie feiern Sie eigentlich Weihnachten?“
„Ach, blödes Weihnachten“, war seine despektierliche Antwort. Und dann erzählte er mir nicht etwas von Stress und „keine Zeit für Geschenke“, nervige Verwandtenbesuche und zu viel Essen, sondern meinte: „Da sind die Leute auf einmal alle so nett, die das ganze Jahr über unfreundlich sind. So ein Blödsinn. Und Leute, die dich hassen, werden auf einmal freundlich.“ „Es gibt Leute, die Sie hassen?“ habe ich verwundert gefragt. Im Ernst konnte ich mir das bei ihm nicht so recht vorstellen. „Na, die sind immer so extrem fröhlich, wünschen dir ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr. So ein Schwachsinn. Und das ganze Jahr über hat dir keiner was geschenkt, aber plötzlich kommen sie alle und tun so freudig.“ Zugegeben, da musste ich ihm beipflichten. Nur was vorspielen, nur so tun als ob, funktioniert nicht. Aufgesetzte Freude ist schal und wirkt billig. Da kann in der Tat keine Freude rüberkommen. Jedenfalls keine echte, von der ich mich anstecken lasse.
Und noch in einem weiteren Punkt hatte mein Friseur recht. Es gibt so vieles in unserem Leben und in unserer Welt, was unsere Blicke verdüstert, was uns verdrießlich und ärgerlich macht. Was nicht funktioniert. Was uns traurig macht. Was uns deprimiert. Darüber könnten wir Bücher schreiben. Da kann man schnell in eine Spirale der Frustration kommen. Bereits der Liederdichter Paul Gerhard wusste davon: „Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.“
Was wir brauchen sind, wie Paulus es ausdrückt, „Gehilfen der Freude“ (2. Kor.1,24). Jeder weiß, fröhliche Menschen sind für ihre Umgebung etwas ungemein Kostbares. Sie tun uns gut. Sie sind eine Wohltat. Wir brauchen sie. Und könnte man im Blick auf Weihnachten nicht alles auch ganz anders sehen? Dieses Fest, diese alte Geschichte hat immer noch so viel Kraft, uns in unserem gewohnten Trott zu unterbrechen, etwas zu verändern, auf den Kopf zu stellen.
Was regt uns eigentlich so auf? Dass es ein Fest gibt, das uns plötzlich unterbricht? Oder, dass es an den normalen Tagen, das ganze Jahr über, so wenig Lichter um uns herum gibt, so wenig Wünschende, so wenig Segnende? So wenig Zeit für ein Kind, das uns anstrahlt?
Manchmal sind solche „Gehilfen der Freude“ Lieder, die mich anrühren, eine reiche Apfelernte im Herbst, eine unverhoffte Begegnung, ein Festmahl mit Freunden, Mitternacht am Lagerfeuer, das vertrauensvolle In-die-Arme-Fallen des Enkelkindes. Da mag der Tag noch so viel Ärgerliches mit sich bringen, die Freude über dieses Kind läuft immer mit. Oder wie es Johann Franck in so wunderbarer Weise glaubend dichtete.
Pfarrer Carsten Schleef