Gebet eine Äbtissin

Liebe Gemeinde, heute möchte ich einmal Werbung machen. Für unser evangelisches Gesangbuch. Aber nicht für den hervorragenden Liedteil, den die meisten aus den Gottesdiensten kennen. Sondern für den Gebetsteil: Es finden sich nämlich zahlreiche im Gesangbuch: Von Nummer 860 bis zur Nummer 1002 finden sich ausgewählte Gebte. Und die sind sehr unterscheidlich: Beispiele für das Beten mit Kindern, Gebete für kritsiche Situationen im Leben, aber auch Morgengebete für (zum Beispiel) einen Donnerstag Morgen. Es lohnt sich darin zu stöbern (ganz ehrlich, der Teil hat mich auch schon mal über die eine oder andere langweilige Predigt gerettet … aber das habe ich Ihnen jetzt nicht laut gesagt).
Ich finde die Gebete teilweise sehr anregend: zum Beispiel das Gebet mit der Nummer 979: Das „Gebet einer Äbtisin“. Dieses Gebet wird Teresa von Avila zugeschrieben, die im 16. Jahrhundert gelebt hat. Aber ich finde, es hat auch heute noch seine Gültigkeit. Das Gebet geht so:

Teresa von Avila

„Herr, du weißt, dass ich altere und bald alt sein werde. Bewahre mich davor, schwatzhaft zu werden, und besonders vor der fatalen Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit und über jedes Thema mitreden zu wollen. Befreie mich von der Einbildung, ich müsse anderer Leute Angelegenheiten in Ordnung bringen. Bei meinem ungeheuren Schatz an Erfahrungen und Weisheit ist’s freilich ein Jammer, nicht jedermann daran teilnehmen zu lassen.
Du weißt, Herr, am Ende brauche ich ein paar Freunde. Ich wage nicht, dich um die Fähigkeit zu bitten, die Klagen meiner Mitmenschen über ihre Leiden mit nie versagender Teilnahme anzuhören. Hilf mir nur, sie mit Geduld zu ertragen, und versiegle meinen Mund, wenn es sich um meine eigenen Kümmernisse und Gebrechen handelt. Sie nehmen zu mit den Jahren, und meine Neigung, sie aufzuzählen, wächst mit ihnen.
Ich will dich auch nicht um ein besseres Gedächtnis bitten, nur um etwas mehr Demut und weniger Selbstsicherheit, wenn meine Erinnerungen nicht mehr mit der anderer übereinstimmt. Schenke mir die wichtige Einsicht, dass ich mich gelegentlich irren kann.
Hilf mir, einigermaßen milde zu bleiben. Ich habe nicht den Ehrgeiz, eine Heilige zu werden. Mit manchen von ihnen ist es so schwer auszukommen. Aber ein scharfes altes Weib ist eins der Meisterwerke des Teufels.
Mache mich teilnehmend, aber nicht sentimental, hilfsbereit, aber nicht aufdringlich. Gewähre mir, dass ich Gutes finde, wo ich es nicht vermutet habe, und Talente bei Leuten, denen ich es nicht zugetraut hätte. Und schenke mir, Herr, die Liebenswürdigkeit, es ihnen zu sagen. Amen“

Ich finde, ein fantastisches Gebet. Ein Beweis wie lustig es sein kann mit Gott zu sprechen. Und ein Beweis von aufrichtiger Ehrlichkeit, wie es manchmal nur Gott selber aushält. Und für alle Menschen, Männer wie Frauen, alte wie junge Menschen. Und mit seinen fast 500 Jahren erstaunlich aktuell. Lasst uns doch heute alle schon mal anfangen zu üben.

Mit den besten Segenswüschen
Ihr/euer
Albi Roebke