Frieden und Gerechtigkeit

Der Jedermann- und Jedefrau-Gesprächskreis der evangelischen Kirche in Seelscheid:
Zusammenfassung der Diskussion am Gesprächsabend vom 31. August 2016 zum Thema 

„Frieden und Gerechtigkeit“

Frieden und Gerechtigkeit als Grundlage und Voraussetzung unseres rechtlichen, politischen und kulturellen Lebens gerade in der aktuellen Lage in Deutschland und Europa sowie darüber hinaus in vielen Regionen der Erde können für unser Zusammenleben nicht wichtig genug genommen werden. Frieden ist für ein lebenswertes Dasein in einem Gemeinwesen unabdingbar und Gerechtigkeit erst schafft in einer menschlichen Gesellschaft die Garantie für ein Leben in Würde für jeden Menschen. Frieden und Gerechtigkeit bedingen sich gegenseitig. Ohne Frieden gibt es keine Gerechtigkeit, ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden.
Über diese abstrakten Feststellungen und Gewissheiten gab es unter den Teilnehmern breite Übereinstimmung. Übereinstimmung herrschte auch darüber, dass Definition und Ursprung der beiden Phänomene sehr unterschiedlich gesehen werden können. Für viele gläubige Menschen sind Frieden und Gerechtigkeit auf Erden ein Geschenk Gottes und nach der Vertreibung aus dem Paradies eine Verheißung, deren Erfüllung nie sicher ist, aber immer wieder angestrebt werden muss, um der Schöpfung Gottes gerecht zu werden.
Für viele andere Menschen ohne Glauben sind Frieden und Gerechtigkeit wichtige Grundlagen der weltumspannenden Menschenrechte, aus der Aufklärung entstanden und von Menschen für Menschen geschaffen worden. Also Menschenwerk.
Unabhängig von ihrem Ursprungs aber haben Frieden und Gerechtigkeit für das Wohlergehen der Menschen allergrößte Bedeutung und praktische Wirksamkeit. Sie sind entscheidend für Leben oder Tod, für Wohlergehen oder für ein Leben ohne Würde, für eine sinnvolle Existenz oder für ein Leben ohne Sinn und Verantwortung.
Die großen Frage ist ihre Umsetzung im Alltag der Menschen, denn ohne Umsetzung sind es hohle Worte. Frage ist, was wir, einzelne oder auch Gruppen, was Städte und Länder, ja was ganze Nationen für diese Umsetzung tun können. Wichtig für unsere eigene individuelle Rolle dabei ist, dass wir wissen, wie sehr unser Handeln in unseren Familien, Gemeinden und Nachbarschaften dazu beitragen können, Gerechtigkeit zu praktizieren und damit ein Stück Frieden zu schaffen. Wichtig ist, sich bewusst zu werden, dass wir in Deutschland und Europa auf Kosten ärmerer Länder, insbesondere in asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Regionen, unseren hohen Lebensstandard genießen. Wir verbrauchen deren Ressourcen; unsere Firmen beuten ihre Bewohner aus. Würden wir Ressourcen sparende Verhaltensweisen an den Tag legen, könnten wir viel zur Verbesserung der Lebenslagen und Lebensaussichten in diesen Ländern beitragen.
Bei uns zu Hause im individuellen Lebensbereich müssen wir bei der Erziehung unserer Kinder beginnen und darauf achten, dass wir allen Kindern gleiche Rechte und Chancen gewähren, etwa in Bildung und Ausstattung. Das setzt sich fort im Verhalten gegenüber unseren Nachbarn, gegenüber Freunden und Mitbrüdern und Schwestern in Kirchengemeinden, beim Autofahren, bei der Steuerehrlichkeit, bei der Spendenbereitschaft, bei der Hilfe für die Geflüchteten. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten Hilfe und Nächstenliebe zu praktizieren. Eine Liste wäre ungeheuer lang und ließe sich dennoch  fortsetzen.
Der Umgang mit den Schwachen und Minderheiten ist ein entlarvender Indikator. Er zeigt, ob wir allen ein Leben in Würde ermöglichen wollen.
Den Teilnehmern war all dieses im Grundsatz klar. Sie wussten viel dazu beizusteuern. Was fehlt – darüber war man sich auch klar – ist das allgemeine Bewusstsein von der Wichtigkeit solcher Handlungsprogramme für den Alltag des Zusammenlebens. Was fehlt, ist ein alltägliches waches Bewusstsein von der Bedeutung von Frieden und Gerechtigkeit innerhalb jeder Gemeinschaft, in der Familie, in einer Stadt oder einem Land. Was fehlt, ist die Überzeugung, dass dies alles machbar ist, wenn wir wollen und mit der Umsetzung beginnen. Der Geist von Frieden und Gerechtigkeit müsste eine allgemeine, verbreitete, vertraute, selbstverständliche Überzeugung innerhalb der Gemeinschaft sein. Damit würde ein Gemeinwesen dem nahe kommen, was mit dem biblischen Spruch Salomos gemeint ist, „Gerechtigkeit erhöht ein Volk.“
Die Zeit reichte nicht aus, all die Gedanken zu diskutieren, die sich immer wieder neu ergaben. Das Thema hätte es verdient.

Horst Viehmann